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In vielen Unternehmen, Fachblogs und sozialen Netzwerken wird eine auffällige Entwicklung sichtbar: Menschen mit schwierigen Verhaltensweisen werden öffentlich als „Idioten“, „Kotzbrocken“ oder gleich pauschal als „toxisch“ abgestempelt. Was früher vielleicht im privaten Gespräch hinter verschlossener Tür geäußert wurde, wird heute oft als Haltung verkauft – als Ausdruck von Klarheit und Konsequenz.
Doch diese Art, Menschen mit einem Etikett zu versehen, so verständlich sie aus Frustration auch erscheinen mag, ist ein Problem. Denn sie verhindert genau das, was Unternehmen und Führung eigentlich ermöglichen sollten: Entwicklung.
1. Etiketten blockieren Veränderung
Einmal als „Kotzbrocken“ bezeichnet, ist jemand sozial abgeschrieben. Die Wahrnehmung ist festgelegt, die Möglichkeiten zur Korrektur schwinden. Dabei zeigen psychologische Studien (z. B. Dweck, Mindset, 2006), dass solche Etiketten wie eine selbsterfüllende Prophezeiung wirken: Wer glaubt, dass er oder sie ohnehin als schwierig gilt, verliert Motivation zur Veränderung – oder wird sogar noch defensiver.
Was hier hilft, ist ein Wechsel des Blickwinkels: Es gilt nicht den Menschen zu bewerten, sondern das spezifische Verhalten zu benennen. Das schafft Klarheit, ohne einem Menschen die Würde zu nehmen.
2. Verhalten ist nicht gleich Persönlichkeit
Menschen mit destruktivem Verhalten zeigen oft bestimmte Muster – etwa Dominanz, Rechthaberei, Sarkasmus oder Vermeidung. In den Instrumenten von Human Synergistics werden diese Verhaltensweisen als Aggressiv/Defensive bzw. Passiv/Defensive Stile beschrieben.
Doch diese Muster sind genau das: Verhaltensstile, keine fixen Persönlichkeitsmerkmale. Und Verhaltensweisen können sich ändern – besonders dann, wenn Menschen verstehen, welche Auswirkungen ihr Verhalten hat und wie sie Alternativen entwickeln können.
3. Jedes Verhalten hat Ursachen
Hinter schwierigen Verhaltensweisen steckt fast immer eine persönliche Geschichte. Menschen, die heute laut, kontrollierend oder abwertend wirken, wurden vielleicht selbst lange ignoriert, unterschätzt oder überfordert. Ihr Verhalten ist häufig eine erlernte Schutzstrategie, die sich in einem anderen Kontext in der Vergangenheit bewährt hat. Was einst nützlich war, wirkt im Teamkontext von heute jedoch oft destruktiv. Diese Diskrepanz bewusst zu machen, ist ein zentraler Hebel für Entwicklung.
4. Die Wurzel ist oft Engagement – nicht Böswilligkeit
Ein Aspekt wird dabei häufig übersehen: Viele Menschen mit auffälligem Verhalten sind hoch engagiert. Sie haben eine starke Meinung, eine klare Vision, hohe Ansprüche – an sich und an andere. Fehlt es jedoch an Beziehungskompetenz oder Selbstregulation, kippt dieses Engagement in Kontrollverhalten oder emotionale Kurzschlüsse.
Der Schlüssel liegt darin, Leistungsanspruch und Beziehungsfähigkeit miteinander zu verbinden. Wer das schafft, kann von einer „schwierigen Persönlichkeit“ oft zum/zur besonders wertvollen Gestalter:in werden.

5. Feedback allein reicht nicht – es braucht Reflexionsräume
Kritik verändert selten Verhalten – zumindest nicht dauerhaft. Was dagegen wirkt:
- Klare, wertschätzende Rückmeldung, die das Verhalten beschreibt, nicht die Person.
- Psychologische Sicherheit, damit Reflexion möglich wird.
- Persönliche Zielklärung – etwa durch Fragen wie:
„Wo willst du beruflich und persönlich in fünf Jahren stehen?“
„Hilft dir dein aktuelles Verhalten dabei – oder steht es dir im Weg?“
Gerade Menschen mit starker Leistungsorientierung können durch diese Fragen erkennen, dass sie mit anderen Menschen gemeinsam mehr erreichen als im Widerstand gegen sie.
6. Führung heißt: Menschen nicht aufgeben
Führung ist kein Belohnungssystem für Angepasste. Sie beginnt dort, wo Verhalten herausfordert – und nicht sofort passt. Natürlich gibt es Grenzen. Natürlich muss Verhalten angesprochen und eingeordnet werden.
Aber: Niemand wird besser durch Abwertung.
Gerade in der Arbeit mit schwierigen Charakteren zeigt sich, wie ernst es einem Unternehmen mit Kultur, Entwicklung und Leadership ist. Wer Menschen einfach abschreibt, entzieht sich genau dieser Verantwortung.
Fazit: Hinter dem Verhalten liegt ein Mensch
Ja, „Idioten“ und „Kotzbrocken“ gibt es in der Arbeitswelt. Ja, manche Verhaltensweisen sind destruktiv und müssen klar begrenzt werden.
Aber: Menschen sind nicht gleichzusetzen mit ihren Fehlern, ihren Eskalationen oder ihren Schwächen.
Wer Verhalten benennt, kann Entwicklung ermöglichen.
Wer Menschen abstempelt, verhindert sie.
Und darum gilt: Auch schwierige Charaktere verdienen die Chance zur Reflexion und Veränderung – nicht weil sie alles richtig machen, sondern weil sie auch nur Menschen sind. Mit Stärken, mit Erfahrungen, mit Potenzial.
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Wir freuen uns über Ihr Feedback sowie über Fragen, die Sie basierend auf unseren Instrumenten oder dem Circumplex-Modell haben. Schreiben Sie uns einfach an: info@humansynergistics.de.
Quellen:
- Dweck, C. (2006). Mindset: The New Psychology of Success.
- Bass, B. & Avolio, B. (1994). Improving Organizational Effectiveness Through Transformational Leadership.
- Human Synergistics International: The Circumplex Model & Styles Inventory Tools
- Siegel, D. J. (2012). The Developing Mind.