Wie man offene und ehrliche Gespräche im Team führt

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Basierend auf der Culture Bites Episode 151 von Dominic Gourley, Human Synergistics Neuseeland, und Corinne Canter, Head of Consulting, Human Synergistics Australien, veröffentlicht am 12. Oktober 2021. Geschrieben von Christine Scussel, Human Synergistics InterConnext GmbH

Ehrliche und offene Gespräche stehen bei vielen Teams ganz oben auf der Wunschliste. Doch selbst effektive Teams tun sich mit diesem Aspekt der Kommunikation oft schwer. Unsere Kollegen aus Australien und Neuseeland haben sich mit der Frage beschäftigt, woran wir erkennen können, dass die Kommunikation im Team nicht so offen ist, wie sie sein könnte und welche Stolpersteine es zu beachten gibt. Corinne und Dom geben uns abschließend ein paar Tipps, wie wir ein entsprechendes Umfeld schaffen können für die Gespräche, die wir wirklich führen wollen.

Anzeichen für einen Mangel an Offenheit und Ehrlichkeit in der Kommunikation 
Ein Mangel an Offenheit und Ehrlichkeit zeigt sich in der Teamkommunikation sowohl darin, wie schwierige Themen vorgebracht werden, aber auch darin, wie andere auf sie reagieren. Ein erster Hinweis ist der Einsatz vieler Füllwörter. Dazu gehört die Verwendung einer indirekten und unsicheren Sprache die sich Ausdrücken wie „vielleicht“, „ich könnte mich irren“, „manchmal“ oder einer globalen und unspezifischen Sprache, wie beispielsweise der Aussage „andere Abteilungen“, ohne diese konkret zu benennen, bedienen. Die Verwendung von wortreichen, blumigen Ausdrücken anstelle einer klaren Aussage ist ein weiteres Beispiel für diese „Weichzeichner“. Eine ähnliche Strategie ist die der Rationalisierung, die von Erklärungen und Rechtfertigungen begleitet wird, wenn wir im Detail erläutern, warum wir einen Punkt überhaupt ansprechen, ohne jedoch auf die Einzelheiten eines Problems einzugehen. Dies dient dazu, ein Thema weniger persönlich zu machen und sicherzustellen, dass sich andere Teammitglieder nicht angegriffen fühlen. Es kann auch sein, dass wir bewusst „den Elefanten im Raum“ ansprechen und dann relativieren, indem wir sagen, dass er am Ende doch gar nicht so groß und so wichtig sei.
Wenn ein und derselbe Punkt immer wieder auf den Tisch kommt, kann das ein weiteres Anzeichen sein. Dies kann während eines Meetings, aber auch über Wochen und Monate hinweg geschehen und zeigt, dass der Punkt ungelöst geblieben ist und möglicherweise noch weitere Aspekte eingebracht werden sollten. Wenn dieselben Teammitglieder ein Thema immer wieder zur Sprache bringen, kann dies ein Zeichen dafür sein, dass sie sich nicht gehört fühlen und sich nie voll und ganz mit einer bereits gefundenen Lösung identifiziert haben.
Es kann auch vorkommen, dass ein wichtiger Punkt nicht wirklich vorgebracht wird. Zumindest nicht während des eigentlichen Meetings. Im Meeting selbst machen sich die Teilnehmer vielleicht Luft oder diskutieren das Thema an der Kaffeemaschine, aber es wird nicht offiziell angesprochen oder direkt bei der betreffenden Person angebracht. Diese Art von Verhalten ist typisch für den Stil Ausweichverhalten.
Mangelnde Offenheit zeigt sich aber nicht nur in der Art und Weise, wie Themen adressiert werden, sondern auch in der Reaktion darauf. Das reicht von völligem Schweigen, bei dem man eine Stecknadel fallen hören könnte, sobald ein Punkt angesprochen wird, bis hin zum schnellen Wechsel zu einem anderen Thema. Wenn ein Thema einfach ins Leere läuft, wird nicht nur das Vorgebrachte „im Regen stehen gelassen“, sondern auch die Person, die das Thema vorbringt selbst. Das führt dazu, dass diese Person isoliert wird und wahrscheinlich zum letzten Mal ein Thema angesprochen hat. Auch der Einsatz von Humor kommt in solchen Situationen vor, da er dazu beiträgt, die Unbehaglichkeit der Stille zu überwinden und zu vermeiden, auf den Punkt zu kommen. Er wirkt wie ein Ventil, das verhindert, dass die Gespräche stattfinden, die wir eigentlich führen sollten.

Stolpersteine auf dem Weg zu offenen Gesprächen
Bevor wir etwas ansprechen, von dem wir glauben, dass es nicht bei allen gut ankommen könnte, wägen wir in der Regel die Konsequenzen ab und fragen uns, ob es das Risiko wert ist. Dies gilt sowohl für Teams, die effektiv zusammenarbeiten und gut miteinander auskommen, als auch für weniger effektive Teams, in denen es bereits ein gewisses Konfliktpotenzial gibt. In gut funktionierenden Teams kann das Risiko, jemanden zu verärgern und damit die gute Atmosphäre zu ruinieren, Menschen davon abhalten, sich zu äußern. Genauso zögerlich werden wir in einem Team sein, wenn wir wissen, dass die Reaktion nicht gerade angenehm sein wird. Wir haben vielleicht Angst, dass jede Art von Kritik falsch aufgefasst wird. Die Angst vor einem offenen Konflikt und sogar vor Sanktionen kann dazu führen, dass Teammitglieder nicht offen sprechen. Vor allem, wenn wir vorher schon einmal in einer solchen Situation waren oder sie beobachtet haben, werden wir es uns sicher zweimal überlegen, bevor wir wieder den Mund aufmachen. In einem Team entsteht so eine Dynamik, die nur sehr schwer zu durchbrechen ist.
Allerdings zahlen wir einen hohen Preis für unsere Angst vor den Konsequenzen, die unsere Ehrlichkeit haben könnte. Kleine Probleme, die im Laufe der Zeit (manchmal Monate oder sogar Jahre!) nicht angesprochen werden, weil der erste Schritt einfach zu schwer erscheint, werden unter den Teppich gekehrt. Jetzt haben wir Angst, das Thema anzusprechen, weil es uns nun wie ein „großes“ Gespräch vorkommt. Dies kann dazu führen, dass wir einer anderen Person gegenüber einen Groll hegen, da wir immer noch genauso verärgert sind, der Konflikte aber unter der Oberfläche schwelt.

Offene, ehrliche Gespräche ermöglichen
Wir müssen die Voraussetzungen für ein ehrliches Gespräch schaffen, bevor wir es führen. Das Schaffen einer Vertrauenskultur innerhalb des Teams und der Organisation ist von entscheidender Bedeutung, wenn wir mehr ehrliche Gespräche führen wollen. Leider gibt es kein Patentrezept für mehr Vertrauen. Es reicht nicht aus, dem Team zu versichern, dass es sicher sei, sich zu äußern. Vertrauen lässt sich nur im Laufe der Zeit durch häufige und konsequente Interaktion mit anderen aufbauen. Führungskräfte spielen in diesem Prozess eine wichtige Rolle in ihrer Vorbildfunktion. In der Praxis kann dies bedeuten, dass wir proaktiv ein Gespräch beginnen, wenn das Konfliktniveau niedrig ist, indem wir uns einfach zwischendurch erkundigen: „Corinne, du bist heute ein bisschen still. Ist alles in Ordnung?“ Es ist wichtig zu verstehen, dass herausfordernde Gespräche zirkulär sind – sie erfordern einerseits ein gewisses Maß an Vertrauen, stärken aber andererseits auch die Beziehung. Aufgabenorientierte Menschen haben vielleicht das Gefühl, dass Gespräche dazu da sind, Dinge zu erledigen, und ansonsten eine ziemliche Zeitverschwendung sind. Aber jeder Austausch, den wir mit einer Person führen, baut eine Beziehung auf, die Vertrauen und gegenseitiges Verständnis schafft, was wiederum das gesamte Team effektiver macht.
Um das Schaffen einer Vertrauenskultur zu unterstützen, können wir einige Klimafaktoren nutzen, die sicherstellen, dass soziale Interaktionen zum Aufbau von Vertrauen zwischen Teammitgliedern führen. Das erste Beispiel ist ein Feedback-Gespräch zwischen einem Teammitglied und seinem Vorgesetzten. Dom empfiehlt, das „positiv, negativ, Alternative-Sandwich“ und dabei die Tatsache zu betonen, dass wir die Beziehung sehr schätzen. In solchen Situationen ist es wichtig, einen Rahmen zu schaffen, damit das Teammitglied versteht, worüber die Führungskraft sprechen möchte und warum dies für beide wichtig ist. Die Führungskraft kann ein Gespräch einleiten, indem sie ganz offen sagt, dass dieses Gespräch auch für sie nicht einfach ist.
Ein anderes Beispiel ist eine Teamdiskussion, bei der sich die Teilnehmer oft so sehr an „ihren“ Standpunkt klammern, dass die Diskussion hitzig wird. Deshalb ist es wichtig, die Punkte zunächst neutral und ohne Wertung zu sammeln. Sobald alle Punkte z. B. auf einem Whiteboard gesammelt wurden, können ihre Vor- und Nachteile der Reihe nach diskutiert werden. Auf dieser Grundlage kann eine Lösung gefunden werden, mit der sich die Teammitglieder identifizieren können – und es ist wichtig, den Prozess der Entscheidungsfindung im Vorhinein mit dem Team zu klären.
Schließlich ist es essentiell, sich daran zu erinnern, dass die Teamdynamik die Fingerabdrücke aller Teammitglieder trägt. Daher sollte jeder Einzelne über seine eigenen Reaktionen auf Feedback nachdenken und seine persönlichen Auslöser und deren Ursachen verstehen. Während wir vielleicht denken, dass es am besten ist, „nett“ zu anderen zu sein (Stil Zustimmung), müssen wir bedenken, dass nur klare und offene (Konstruktive) Kommunikation wirklich ehrlich und freundlich ist.


Möchten Sie mehr darüber erfahren, wie Sie eine Kultur des Vertrauens in Ihrem Team schaffen können? Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören info@humansynergistics.de.


 


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Christine Scussel