Wenn eine Krise den Kulturwandel anstößt

Artikel über den Kulturwandel haben in der Regel Erfolgsgeschichten zum Gegenstand, die effektiven Turnarounds, die positiven Extremszenarien und die besten Verfahren zur Förderung einer anpassungsfähigen, kooperativen, befähigenden, leistungsstarken, konstruktiven Organisationskultur. Doch es gibt auch die anderen Geschichten, über die niemand gerne spricht, die aber dennoch erzählt werden müssen. Es sind Geschichten, die ein warnendes Beispiel dafür geben, wie sich eine konstruktive Organisationskultur zum Negativen wandeln kann.

Während eine zielorientierte und kooperative Kultur zu einer Geschichte von hoher Leistung, langfristigem Wachstum und geschäftlichen Erfolgen geführt hat, kann eine solche Kultur infolge einer Unternehmenskrise und der Reaktion der Führungsspitze auf diese Krise eine Wende hin zu aggressiven und passiven Verhaltensnormen bewirken. Oft lösen Krisen, wie beispielsweise finanzielle Verluste, ein Trauma im Unternehmen aus, aus denen man nur schwerlich wieder herauskommt. Wenn die Führungskräfte den Grund der Krise darin sehen, dass sie die Situation nicht hinreichend kontrolliert haben, beginnen diese Führungskräfte, ihr Team als potenzielle Quelle des Problems zu sehen. So entsteht schnell eine von defensivem Verhalten gesteuerte Kultur –  Innovation und Autonomie bleiben auf der Strecke. Oft beginnt ein solcher Wandel, indem die Führungskräfte sich in die Entscheidungsfindung persönlich einbringen. Mitarbeiter fangen an, Fehler zu vertuschen und den Schwerpunkt auf Schuldzuweisungen zu verlagern, statt Fehler zu korrigieren und daraus zu lernen.

Im Zuge finanzieller Schwierigkeiten, verändern Führungskräfte oft die grundlegende Strategie, was eine Kultur der Aggressivität fördert und somit zu verpassten Chancen führt. 60- bis 80-Stunden Wochen sind dann die Norm, ein Anspruch auf Freizeit wird nicht wahrgenommen und Entscheidungsprozesse werden unnötig in die Länge gezogen. Kurz gesagt: jegliches Wachstum liegt auf Eis.

Was hilft, um aus diesem Kreislauf auszusteigen?

Die Organisationskultur wird von Normen oder Verhaltensmustern, die in einem Unternehmen funktionsübergreifend bestehen, bestimmt – diese Normen und Muster müssen durchbrochen werden. Dafür ist es wichtig, die Ist-Kultur der Organisation zu messen, um eine genaue Momentaufnahme davon zu erhalten, welche Verhaltensweisen nach Auffassung der Mitarbeiter in der Organisation erwartet werden. Diese Momentaufnahme hilft zu verstehen, was wirklich in einer Organisation vor sich geht und warum. Hier ein paar Beispiele für in einer Organisation, die eine finanzielle Krise durchlebt stark ausgeprägte Verhaltensstile:

 

Stil

Eigenschaften

Verhalten

Resultat

Perfektionismus

Setzen von unrealistisch hohen Zielen. Man kümmert sich selbst um jedes Detail.

Die Führungskraft trifft alle Entscheidungen selbst.

Die Expertise der Teammitglieder wird nicht genutzt oder nicht anerkannt.

Ausweichverhalten

„Aufschieberitis“. Man wartet darauf, dass andere zuerst handeln. Man mischt sich nicht ein.

Die Teammitglieder treiben Innovation nicht voran. Sie machen nur den nächsten Schritt, wenn dieser abgesegnet wurden.

Man versucht um jeden Preis, nicht für Fehler zur Verantwortung gezogen zu werden.

Abhängigkeit

Man hinterfragt Vorgesetzte nie. Man ist vorhersehbar.

Der Führungskraft muss bei Entscheidungen erst zustimmen.

Es wird auf die Entscheidung durch die Führungskraft gewartet. Kunden sind frustriert, da alles so schleppend abläuft.

Konvention

Man sträubt sich gegen Ideen, die anders sind. Man passt sich an. Man vermeidet Konfrontation.

Entscheidungen werden nicht hinterfragt und es werden keine Empfehlungen aufgrund von Erfahrung ausgesprochen.

Man hält die Füße still, vermeidet es, irgendwie aus der Masse hervorzustechen und/oder jegliche Konfrontation.

 

Hat man den Ist-Zustand analysiert, sollte man die Mitarbeiter zum Soll-Zustand befragen; wie sollte also die Unternehmenskultur idealerweise sein? Denn diese ideale Kultur ist diejenige, in der die Mitarbeiter die bestmögliche Arbeit leisten können. Hat man die Ist- und Soll-Kultur ermittelt, kann die Reise der Veränderung beginnen. Dies ist in dieser Situation eine Herausforderung, da das Vertrauen wiederhergestellt werden muss. Auch wenn es für manche Führungskräfte intuitiv sinnvoll erscheinen mag, sich um alle Entscheidungen und Freigaben selbst zu kümmern, stellt diese Methode doch ein großes Risiko dar.  Denn somit werden die wichtigen Expertenmeinungen nicht in Entscheidungen einfließen, und die Führungskräfte werden andererseits keine Kapazitäten für das Wahrnehmen ihrer eigentlichen Führungsaufgaben mehr haben.

Kulturen können sich zum Guten oder zum Schlechten verändern, und Instrumente wie das OCI® sind wirksame Werkzeuge zur Überwachung und Veränderung der Kultur. Eine solche Messung kann für eine Organisation der erste Schritt zum Anknüpfen an frühere Erfolge sein.

In unserem Whitepaper „Wenn eine Katastrophe den Kulturwandel anstößt“ lesen Sie über die Reise der EF Engineering, die zu einer dieser Geschichten zählt, die man nicht gerne mit der Öffentlichkeit teilt, die aber als lehrreiches Beispiel dienen kann.